Die Abstammungslehre
Zoom! Im Grand Canyon der USA, der größten Schlucht der Erde, liegen Gesteinsschichten von verschiedenen Erdzeitaltern übereinander. Die älteren Schichten liegen tiefer, die neueren höher. In jeder Schicht sind charakteristische, versteinerte Überreste von Lebewesen vorhanden, die Fossilien. In 500 Millionen Jahren alten Schichten findet man viele Gliederfüßer, zum Beispiel Trilobiten. In 100-200 Millionen Jahren alten Schichten treten in großer Vielfalt Ammoniten, Belemniten, Seeigel oder Muscheln auf. 
  
Zoom! Die heute ausgestorbene und zu den Gliederfüßern gehörende Tierklasse der Trilobiten lebte im Schlamm am Boden von flachen Meeren. Sie wurden bis zu 75 Zentimeter groß und hatten einen ausgeprägten Rückenpanzer, der in versteinerter Form heute als Fossil gefunden wird. Trilobiten lebten im Paläozoikum, dem Erdaltertum, das mit der Periode des Kambrium vor etwa 542 Millionen Jahren begann und mit der Periode des Perm vor 251 Millionen Jahren endete.
  
Zoom! Die Ammoniten gehörten zu einer ausgestorbenen Gruppe von Weichtieren. Sie traten erstmals vor etwa 380 Millionen Jahren auf und starben zusammen mit den Dinosauriern am Ende der Kreidezeit aus. Sie besaßen eine spiralförmige Schale, die ähnlich wie beim heute noch lebenden Nautilus (Bild links) in Kammern unterteilt war. Durch das Pumpen von Wasser in die Kammern, konnte sich das tintenfischähnliche Tier im Meer auf- und abwärts bewegen.
  
Zoom! Betrachtet man eine geologische Zeittafel fällt auf, dass bestimmte Lebensformen erst ab einem bestimmten Erdzeitalter auftreten. Manche Formen treten in bestimmten Perioden massenhaft als Leitfossilien auf, in vielen Fällen verschwinden sie später wieder. Im Verhältnis zur gesamten erdgeschichtlichen Entwicklung lebt der Mensch erst seit einem kurzen Zeitraum. Er erscheint in der Erdneuzeit in der Periode des Neogen. Vor etwa sechs Millionen Jahren traten die ersten Vorfahren des Menschen auf.
  
Zoom! Zu Beginn des 19. Jahrhunderts brach unter den Forschern ein Streit über das Phänomen aus, warum in jeder Gesteinsschicht immer nur ganz bestimmte Arten zu finden sind. Die Anhänger von Georges Cuvier glaubten, dass Arten unveränderlich sind und nach Katastrophen immer wieder neu geschaffen werden. Jean-Baptiste de Lamarck und Étienne Geoffroy Saint-Hilaire behaupteten, dass sich neue Arten aus älteren Arten entwickeln. Den Streit vor einem wissenschaftlichen Gremium der Pariser Akademie im Jahre 1830 gewannen die Anhänger Georges Cuviers, da die Anhänger der Abstammungslehre zunächst keine schlagkräftigen Beweise vorlegen konnten. 
  
Zoom! Obwohl der Streit für die Anhänger der Abstammungslehre zunächst zu ihren Ungunsten ausging, fand man bis heute immer mehr Beweise für diese Theorie. Der Quastenflosser gilt beispielsweise als wichtiger Hinweis darauf, dass sich aus den Fischen später Landbewohner entwickelt haben. Der Urvogel Archaeopteryx gilt als stammesgeschichtliches Bindeglied zwischen den Reptilien und den Vögeln. Man bezeichnet ihn deshalb auch als Brückentier.
  
Zoom! Nahe Verwandtschaft erkennt man in der Tierwelt oft an Ähnlichkeiten. Die ähnlich aufgebauten Gliedmaßen der Wirbeltiere beruhen auf dem selben Grundplan. Alle Landwirbeltiere stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab. Eine solche Ähnlichkeit wird als homolog bezeichnet. Die homologen Gliedmaßen, die homologen Organe und teilweise auch das homologe Verhalten der Wirbeltiere dienen heute als Beweis für die Richtigkeit von Lamarcks Abstammungslehre.
  
Zoom! Es kann aber auch vorkommen, dass sich Organe von nicht miteinander verwandten Tierarten stark ähneln. Die wie der Maulwurf im Boden lebende Maulwurfsgrille besitzt ein Graborgan, das dem des Maulwurfs ähnelt. Man bezeichnet eine solche Ähnlichkeit als analog. Die Anpassung an den Lebensraum unter der Erde erfolgte beim Maulwurf und bei der Maulwurfsgrille durch einen unterschiedlichen Grundbauplan. Das Phänomen nennt man auch Konvergenz.
  
Zoom! Alle Lebewesen enthalten als Erbanlage eine DNS, die sich nur in der Anordnung ihrer organischen Basen unterscheidet. Die Reihenfolge und die Anordnung der organischen Basen bestimmt die Art der vorliegenden Informationen im Erbmaterial. Teilabschnitte der DNS heißen Gene. Alle Lebewesen übersetzen die genetisch vorliegenden Informationen gleich, sie benützen den gleichen genetischen Code in ihrer DNS. Dies ist ein Beweis dafür, dass alle Lebewesen der Erde miteinander verwandt sind.
  
Zoom! Ernst Haeckel (1834-1919) behauptete mit seiner Biogenetischen Grundregel, dass die embryonale Entwicklung eines Lebewesens, die Ontogenese, die Stammesentwicklung der Arten, die Phylogenese, wiederholt. Man kann heute nachweisen, dass die von Haeckel veröffentlichten Zeichnungen manipuliert wurden: Die Embryonen unterscheiden sich in Wirklichkeit viel mehr, so dass die Theorie heute als widerlegt gilt. Man kann aber sagen: Es gibt eindeutig Ähnlichkeiten, die auf eine gemeinsame Abstammung hinweisen. Im frühen Stadium besitzen alle fünf Embryonen eine Kiemenbogenanlage, nur beim Fisch entwickeln sich daraus die Kiemen.
  
Zoom! Injiziert man einem Kaninchen Blutserum des Menschen, bilden sich beim Kaninchen Antikörper gegen das artfremde Eiweiß aus dem Menschenblut. Aus dem Blut des Kaninchens lässt sich dann ein Testserum gewinnen. Dieses bildet bei der Zugabe von Bluteiweiß eines anderen Tieres, zum Beispiel mit dem Blut eines Pferdes, einen Niederschlag. Je mehr Eiweiß bei dieser Serumreaktion ausfällt, umso enger verwandt sind die beiden untersuchten Lebewesen.
 
Copyright: Thomas Seilnacht