Der
Quastenflosser
(Latimeria
chalumnae)
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Das Skelett der Brust- und Bauchflossen
des Quastenflossers ist teilweise verknöchert und mit Muskulatur versehen.
Diese Eigenschaft unterscheidet den Quastenflosser von allen anderen Fischen,
er gehört mit dem Lungenfisch zu den "Fleischflossern". Auf den Flossen
sitzen zweiseitige Flossenstrahlen wie eine "Quaste". Da die Brust- und
Bauchflossen fast die Funktion von Gliedern besitzen, könnte der Fisch
sich am Boden oder auf Felsvorsprüngen abstützen. Doch wie sich
gezeigt hat, verwendet der Fisch seine Flossen fast ausschließlich
zum Schwimmen.
Der Quastenflosser gehört wie auch
die Lungenfische zu den Choanenfischen, die innere Nasenöffnungen
besitzen. Die Lungenfische können im Wasser mit Kiemen und an der
Luft mit einem aus der Schwimmblase weiterentwickelten, lungenähnlichen
Organ atmen. Dies können die heutigen Quastenflosser zwar nicht, aber
sie besitzen in der Nähe des Darmes eine fettgefüllte, sackartige
Ausstülpung, die als Überbleibsel einer ehemaligen Lunge angesehen
wird. Frühere und ausgestorbene Quastenflosserarten konnten damit
wahrscheinlich atmen.
In der Evolutionsforschung sind die Quastenflosser
von großer Bedeutung. Aus einer Art, die früher im Süßwasser
lebte, haben sich die ersten Landwirbeltiere entwickelt. Die knochenverstärkten
Flossen gelten als Vorläufer der späteren Gliedmaßen. Frühere
Quastenflosserarten waren auch die ersten, welche eine Lunge entwickelten.
Insofern kann der Quastenflosser als Brückentier zwischen den Fischen
und den Amphibien angesehen werden.
Bis 1938 hielt man die Quastenflosser
für ausgestorben. Die Wiederentdeckung ist eine abenteuerliche Geschichte,
die in Grzimeks Tierleben ausführlich geschildert wird:
Es war am 22. Dezember 1938.
In East-London, einer Hafenstadt an der Ostküste Südafrikas,
sah Miss M. Courtnay-Latimer, die Kustodin des städtischen Museums,
sich interessiert ein paar Haie an, die ein Fischdampfer eingebracht hatte.
Unter ihnen befand sich ein stark mitgenommener, ganz ungewöhnlicher
Fisch, der mehr als anderthalb Meter lang war und 114 Pfund wog. Er war
stahlblau, hatte große Schuppen, einen mächtigen Unterkiefer
und fleischige Flossen, die wie Gliedmaßen abstanden. Er sah so merkwürdig
aus, dass Miss Latimer es für das beste hielt, ihn zu konservieren.
Sie transportierte den schweren, schmutzigen, öltriefenden Fisch ins
Museum und versuchte dort, seine Artzugehörigkeit festzustellen. Aber
sie konnte in ihren Nachschlagewerken keinen ähnlichen Fisch finden.
So machte sie von ihm eine Skizze und schickte sie an Professor J.L.B.
Smith, den berühmten Fischkundler an der Rhodes-Universität in
Grahamstown, Südafrika. Professor Smith, der über hundert Fischarten
entdeckt und benannt hat, war wie vom Donner gerührt: "Ich wäre
kaum erstaunter gewesen, wenn mir auf der Straße ein Dinosaurier
begegnet wäre". Denn dieser Fisch hätte eigentlich schon mit
den Dinosauriern ausgestorben sein müssen. Er war den Biologen nur
aus versteinerten Abdrücken bekannt, die vor Jahrmillionen entstanden
waren. Hier hatte man ein Lebewesen vor sich, das sich seit mindestens
60 Millionen Jahren kaum verändert hatte. "So unglaublich es schien",
sagte Professor Smith, "ich musste den Fisch als einen Hohlstachler bestimmen.
Zu Ehren von Miss Latimer nannte ich ihn Latimeria." Der Fisch erhielt
den Artnamen chalumnae nach dem Fluss Chalumna, an dessen Mündung
er gefangen wurde.
Ein zweiter Quastenflosser wurde erst
im Jahre 1952 gefangen, nachdem Professor Smith auf Flugblättern,
die er in allen Häfen aushängen hatte lassen, eine hohe Belohnung
versprach. Es stellte sich später heraus, dass der Fisch bei den Eingeborenen
der Komoren schon längst unter dem Namen "Kombessa" bekannt war und
auf ihrem Speisezettel stand. Im Jahre 1987 gelang es dem Verhaltensforscher
Hans Fricke erstmals den Quastenflosser bei den Komoreninseln in 200 Metern
Tiefe zu filmen. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde ein zweiter Lebensraum
der Quastenflosser auf der anderen Seite des Indischen Ozeans, vor der
Küste Indonesiens entdeckt.
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