Die beiden zehn bis zwölf Zentimeter langen Nieren finden sich an der Rückenwand des Bauchraumes. Beim Schnitt durch eine Niere erkennt man den Aufbau: Die körnige Nierenrinde durchzieht den äußeren Bereich, weiter innen liegt das hellere, gestreifte Nierenmark. Die ganze Niere ist von vielen Blutgefäßen durchsetzt. Die Nierenarterien transportieren täglich bis zu 1500 Liter Blut in die Nieren. Dort wird das Blut von den Abfallstoffen des Stoffwechsels wie Harnstoff gereinigt und gelangt über die Nierenvenen wieder in den Blutkreislauf. Die Abfallstoffe gelangen in den Harn und sammeln sich im Nierenbecken. Über den Harnleiter gelangt der Harn in die Blase.
Die Nieren reinigen das Blut von Stoffwechselprodukten und entgiften den Körper. Sie regulieren aber auch den Wasser-, den Salz- und den Säurehaushalt des Körpers. Die Nierenkörperchen (Glomeruli) befinden sich in der Nierenrinde. Eine Niere hat ungefähr eine Million davon. Jedes Nierenkörperchen ist von einem Kapillarknäuel feiner Arteriolen durchsetzt. Die feinen Poren der Kapillaren wirken wie ein Filter. Die Eiweiße des Blutserums und die Blutkörperchen bleiben im Blut zurück. Stoffe aus dem Blut wie Glucose, Aminosäuren, Hormone, Vitamine, Harnstoff und verschiedene Mineralstoff-Ionen gehen durch die Poren durch. Sie gelangen in den Primärharn der Nierenkanälchen. Diese ziehen sich in langen Schleifen durch das Nierenmark. Sie sind von einem feinen Adernetz umgeben, das die verwertbaren Stoffe wieder zurückholt. Das Netz der Nierenkanälchen endet in den Sammelröhrchen. Das System aus Nierenkörperchen, Nierenkanälchen und Sammelröhrchen wird als Nephron bezeichnet. Der gebildete Harn gelangt von den Sammelröhrchen in das Nierenbecken.
Neben der Entgiftung und der Ausscheidung des Harns reguliert die Niere auch den Wasser-, den Elektrolyt- und den Säure-Base-Haushalt. Sie produziert das Enzym Renin und das Hormon Erythropoetin, das die Bildung der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Auch für die Aktivierung von Vitamin D3 ist die Niere zuständig.
Nierensteine
Das „Abgehen“ eines Nierensteins durch einen Harnleiter in die Blase ist eine spezielle Erfahrung, die man niemandem wünschen möchte. Dem Autor ist dies im Alter von 58 Jahren widerfahren. Hier der vollständige Bericht:
Es war ein Tag wie jeder andere im Winter 2021. Ich fotografierte gerade Mineralien mit meinem Macroobjektiv. Dazu musste ich mich im Sitzen nach vorne überbeugen, um durch den Sucher der Kamera blicken zu können. Plötzlich gab es einen Schmerz rechts hinten in Höhe der rechten Niere. Zunächst dachte ich, dass ich mich durch die Sitzhaltung verspannt hatte, daher stand ich auf, und der Schmerz ließ sofort nach. Ich machte ein paar Lockerungsübungen und wollte mich wieder hinsetzen. Das war aber ein Ding der Unmöglichkeit, denn im Sitzen kam der Schmerz mit aller Macht wieder. Er war so stark, dass ich dachte, jetzt ist es aus. Zuerst fühlte es sich an, als ob eine Presse meine Niere zerquetschen würde. Dann strahlte der krampfartige Schmerz in alle Richtungen aus, selbst in den Beinen war er extrem. Langsam kam mir der Verdacht auf, dass das eine Nierenkolik sein könnte. Also landete ich ziemlich schnell in der Notfallaufnahme im Spital Thun.
Die Ärztin befragte mich, wie ich den Schmerz auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen würde. 10 natürlich war meine Antwort. Sie wollten mich hinlegen, ich weigerte mich aber, denn die extremen Schmerzen waren nur im Stehen überhaupt irgendwie auszuhalten. Sie gaben mir zuerst das erste Schmerzmittel, dann ein zweites, alles ohne Wirkung. Zwei extrem lange Stunden musste ich warten, bis das Ergebnis der ersten Untersuchungen da war: Blut im Urin war nachgewiesen, auch die Ultraschalluntersuchung ergab den Verdacht auf einen Nierenstein. Ich hatte das Glück, dass die Notfallstation in Thun einen Computertomografen zur Verfügung hatte. Ich musste mich nur fünf Minuten unter das Gerät legen und schon war das Ergebnis da: Ein Nierenstein saß in einem der beiden Harnleiter fest. Der Durchmesser wurde mit ungefähr 4 Millimeter angegeben. Die Ärztin studierte den Befund und meinte, dass der Stein kurz vor dem Blaseneingang sitzt und er wahrscheinlich auch ohne Operation abgeht. Zur Unterstützung erhielt ich eine Dosis Diclofenac in einem Zäpfchen. Dies ist ein Mittel, dass eigentlich entzündungshemmend wirkt, aber auch die Muskulatur entspannt. Zum Schutz des Magens wurde ein Protonenpumpenhemmer verabreicht. Zur Erweiterung des Harnleiters setzte die Ärztin ein Medikament ein, das normalerweise bei speziellen Prostatabeschwerden eingesetzt wird. Ich durfte entscheiden, ob ich im Krankenhaus oder zu Hause auf das Abgehen des Nierensteins warten wollte. Ich entschied mich für zu Hause und wurde mit dem Taxi am späten Freitagabend nach Hause gefahren.
Die nächste Nacht war die Hölle. Ich verbrachte praktisch die gesamte Zeit im Stehen oder so halb sitzend – halb stehend auf einem Stuhl. An Schlaf war nicht zu denken. Also begann ich mich über das Internet zu informieren. Dort war zu lesen, dass es mehrere Wochen dauern kann, bis ein Nierenstein abgeht. Toll! Natürlich musste ich am Wochenende alles absagen, zum Beispiel auch ein Event an meiner eigenen Ausstellung, zu der ich alle Freunde eingeladen hatte. Am Samstagmorgen rief ich einen Bekannten an, der selbst einen Nierenstein vor einiger Zeit hatte. Er erzählte mir „zur Beruhigung“ die Geschichte von Martin Luther:
Im Jahr 1537 hielt sich Luther in dem Städtchen Schmalkalden auf, in dem das Bündnis der protestantischen Fürsten zusammen mit ihren Gegnern, den Vertretern des Kaisers, tagten. Bei der einsetzenden Nierenkolik waren Luthers Leibärzte ratlos, so dass der Reformator entschied, zu Hause dem Tod entgegenzusehen, um nicht in den Händen seiner Feinde zu sterben. Er fuhr dann mit einem Pferdegespann auf einem ungefederten Wagen zurück. Die holprige Fahrt war für Luther eine unglaubliche Tortur, doch der Nierenstein ging noch während der Fahrt ab, so dass Luther fast schmerzfrei zu Hause ankam.
Wegen dieser Geschichte beschloss ich, noch einen Tag abzuwarten. Ich hielt bis am Sonntagmorgen durch, dann rief ich im Krankenhaus an, nachdem ich nur noch die ganze Zeit vor lauter Schmerzen erbrechen musste. Sie sagten mir eine Operation innerhalb von zwei Stunden zu, sobald ich mich dazu entscheide. Ich könne sofort kommen. Sitzt ein Nierenstein im Harnleiter, wird ein spezielles Endoskop mit optischer Einrichtung durch die Harnröhre in die Harnblase und dann in den Harnleiter eingeführt. Der Stein wird dann herausgezogen oder mit einer Einrichtung an der Spitze des Geräts per Ultraschall oder Laser gleich zerstört. Die Vorstellung, dass ein solches Gerät durch die verletztliche Blase geführt wird, ließ mich zögern. Ich entschied mich zunächst für eine „brachiale“ Methode: Ich hopste auf einem Bein auf der Stelle, dann die Treppe herunter und wieder herauf. Und siehe da, es funktionierte: Nach ungefähr 20 Minuten Hopsen waren die Schmerzen plötzlich weg, wie weggeblasen, von einer Sekunde auf die nächste, als ob nie etwas gewesen wäre! Ich verspürte sofort einen starken Harndrang. Also holte ich das von der Ärztin mitgegebene Sieb und hielt es unter den Urinstrahl. Zuerst war ich enttäuscht, denn ich spürte nichts in der Harnröhre, kein Stein, der da hindurch ging. Aber welche Überraschung: Ein winziger schwarzbrauner Stein lag danach im Sieb. Ich sagte die Operation ab. Es kam an diesem Tag noch etwas Blut, das war es dann aber schon. Bei der Nachkontrolle nach zwei Wochen war im Ultraschall alles in Ordnung.
Nach einem solchen Erlebnis stellt sich natürlich auch die Frage, woher die Nierensteine kommen und warum sie den Harnleiter blockieren und eine Nierenkolik auslösen. Hält diese länger an, können die Nieren geschädigt werden oder es entsteht eine Blutvergiftung. Ein dauerhaft im Harnleiter festsitzender Nierenstein kann tödlich enden. Ein fest sitzender Nierenstein ist immer ein absoluter Notfall!
Es gibt verschiedene Ursachen, oft liegt es einfach auch nur daran, dass man zu wenig trinkt. Es gibt aber auch Nahrungsmittel, die das Entstehen begünstigen. Dass in 58 Lebensjahren Nierensteine entstehen, ist eigentlich normal, die meisten Steine bis ungefähr 2 Millimeter gehen unbemerkt durch den Harnleiter ab, solange sie noch klein sind. In dem beschriebenen Fall hatte der Stein einen Durchmesser von 3,2 Millimeter. Hier das Makro-Foto von dem Stein in zwei verschiedenen Ansichten:
Eine chemische Analyse im Labor stellt den Typ des Steines fest. Der abgebildete Nierenstein besteht zum Beispiel aus Calciumoxalat. Die braune Färbung stammt aus Verunreinigungen durch andere Stoffe. Manche Lebensmittel enthalten viel Oxalsäure, dazu zählen zum Beispiel Rhabarber, Spinat, Mangold, Nüsse, Kaffee oder Schwarztee. Da die Oxalsäure im Körper nicht abgebaut werden kann, wird sie in Form ihrer Salze als Oxalat über die Nieren ausgeschieden. Verweilen die gebildeten Kristalle längere Zeit an den Engstellen zwischen Nierenbecken und Blase, beginnen sie aufgrund von Kristallisationsprozessen zu wachsen. Engstellen befinden sich am trichterförmigen Ausgang des Nierenbeckens zum Harnleiter, beim Überqueren einer bestimmten Arterie im Harnleiter und am Eingang der Harnblase. Viel Trinken begünstigt also auf jeden Fall das Herausspülen von kleinen Steinen.
Calcium-Ionen sind fähig, Oxalate zu binden. Bei Calcium-Mangel oder auch zum Beispiel nach der Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum wird im Darm mehr Oxalsäure aufgenommen. Ballaststoffe können Calciumoxalatkristalle und auch die löslichen Oxalate binden. Die reichliche Zufuhr von calciumhaltigen Nahrungsmitteln wie Milch und die reichliche Aufnahme von Ballaststoffen kann die Aufnahme von Oxalsäure im Darm vermindern. Es existieren weitere Ursachen, die die Aufnahme von Oxalsäure begünstigen. So steht auch eine übermäßige Zufuhr von Vitamin C im Verdacht, was aber nicht eindeutig belegt ist. [Lit Weiß 2009]
Zahlen zur Niere des Menschen im Kapitel Statistik
Heft Blutkreislauf und Atmung