Das ausgewachsene Männchen des Rothirsches
trägt ein mächtiges, vielendiges Geweih. Ein ausgewachsener, männlicher
Hirsch wird im Schnitt 100 bis 150 Kilogramm schwer.
Das Weibchen, die Hirschkuh trägt kein
Geweih und ist kleiner gebaut. Das Fell an der Hinterseite des Oberschenkels,
der Spiegel, ist hell gezeichnet. Das junge
Tier, das Hirschkalb,
hat im Fell typische helle Flecken. Im Vergleich zum kleineren Damhirsch
hat der Rothirsch ein gegabeltes Geweih.
Das Sommerfell erscheint rotbraun, im Herbst wird es gegen ein graubraunes
Fell ausgetauscht. Unter den Grannenhaaren befindet sich beim erheblich
dickeren Winterfell dichtes Wollhaar. Beim Hirschgebiss fehlen im Oberkiefer
die Schneidezähne, typisch für dieses Wiederkäuergebiss
ist auch die Lücke zwischen den Eck- und den Backenzähnen.
Weibliche Hirschkühe
mit sichtbarem Spiegel und Kälber
Der Rothirsch als Paarhufer erzeugt bei der Fortbewegung im Schnee im Trittsiegel einen deutlichen Abdruck der beiden Klauen. Beim ziehenden Hirsch erzeugen die kleinen Afterzehen keinen Abdruck. Diese werden erst im Trittsiegel des flüchtenden Hirsches sichtbar. An der Gangart lässt sich das Alter des Hirsches erkennen. Junge Hirsche tendieren zum Hinterlassen: Sie setzen den Abdruck des etwas größeren Hinterlaufs direkt vor den Abdruck des kleineren Vorderlaufs (Fährte oben). Bei alten Hirschen ist es umgekehrt. Als Blenden bezeichnet man eine Gangart, wenn Hirsche mittleren Alters den Abdruck des Hinterlaufs direkt in den Abdruck des Vorderlaufs setzen.
Beim Beitritt wird der Abdruck der Läufe nebeneinander gesetzt (Fährte unten).
Vor den Augen des Hirsches befindet sich die Voraugendrüse.
Zur Brunftzeit sondert diese ein übelriechendes Sekret ab, das zur
Reviermarkierung an Bäumen und Sträuchen abgesetzt wird. Dieses
bräunliche Sekret nennt man auch Hirschtränen.
Eine weitere Drüse befindet sich an der Außenseite der Hinterläufe,
so hinterlässt der Hirsch beim Laufen eine Duftfährte. Die Wedeldrüse
sitzt in der Nähe der Schwanzwurzel, der Hirschschwanz wird als Wedel
bezeichnet. Während der Brunft wird die Duftmarke aus der Wedeldrüse
im Haarkleid durch Lecken verteilt.
Die männlichen Hirsche werfen ihr
Geweih einmal jährlich im Frühjahr
komplett ab. Danach bildet sich ein vollständig neues Geweih. Während
der Wachstumsphase ist das Geweih mit einer Haut, der Basthaut,
überzogen. Diese ist von Blutgefäßen durchzogen und ernährt
das Geweih. Beim fertig ausgebildeten Geweih bildet sich die Basthaut zurück.
Beim Hirschkalb entsteht im ersten Winter am Stirnbein ein kurzer Fortsatz,
der auch Rosenstock genannt wird. Im Verlauf
des folgenden Sommers bilden sich daraus die ersten beiden, noch unverzweigten
Geweihstangen, die Spießer. Je älter
der Hirsch ist, umso größer wächst sein Geweih und umso
mehr Enden bilden sich am Geweih aus. Ein Vierzehn-Ender gilt als stattlicher
Hirsch, mehr als 20 Enden werden selten ausgebildet. Die Enden geben aber
nur bedingt Auskunft über das Alter des Hirsches.
Der Rothirsch ist in Mitteleuropa weit
verbreitet, aber auch in Skandinavien, Spanien, Italien, im Balkan und
in Westasien gibt es Vorkommen. Im Nationalpark im Schweizer Engadin leben
große Populationen. Im Sommer ziehen sich die Hirsche in den Alpen
bis über die Waldgrenze zurück, im Winter kommen sie in tiefere
Lagen. Ein Hirschrudel aus männlichen
Tieren kann aus einer Gruppe mit mehr als 200 Hirschen bestehen. Die Kahlwildrudel
bestehen aus Muttertieren und Hirschkälbern. In den Wäldern der
Mittelgebirge bevorzugen Rothirsche Waldlichtungen mit Zugang zu Wald-Abschnitten.
Die Nahrung der Rothirsche ist sehr vielfältig.
Als Wiederkäuer ernähren sie sich
vegetarisch von Gras, Kräutern, Feldfrüchten, Eicheln, Bucheckern,
Obst, Pilzen, Rinden, Flechten oder von Knospen junger Zweige. Beim Äsen
wird die Nahrung zunächst aufgenommen und zerkaut. Sie wird hinuntergewürgt
und gelangt in den Pansen. Beim Wiederkäuen
wird nach einer Vorverdauung im Pansen und Netzmagen die Nahrung wieder
hervorgewürgt und erneut durchgekaut. Im Pansen werden schwer verdauliche
Kohlenhydrate - wie die für viele andere Tierarten unverdauliche Cellulose
- mit Hilfe von Mikroorganismen zu Stoffen abgebaut, die verwertbar sind.
Die dabei freiwerdenden Gase wie Kohlenstoffdioxid oder Methan sammeln
sich im Netzmagen, von dort werden sie durch Rülpsen wieder abgegeben.
Die wiedergekäute Nahrung gelangt nach einer Entwässerung im
Blättermagen in den Labmagen, dem "vierten" Magen der Wiederkäuer.
Dort werden dann der Nahrung weitere Nährstoffe entzogen. Rothirsche
beschäftigen sich pro Tag etwa fünf bis sechs Stunden mit dem
Wiederkäuen.
Zur Brunft
im September oder Oktober kommen die Hirsche der Alpen in niedrigere Lagen
und bieten den Zuschauern ein Schauspiel sondergleichen. Das Röhren
der männlichen Hirsche ist dann weithin zu hören. Im August setzen
sich männliche Hirsche bereits von den Hirschrudeln ab. Ziel ist die
Eroberung eines Kahlwildrudels. Beim Brunftkampf
kommt es zu Imponiergehabe und Drohgebährden. Die Duelle beginnen
mit Rufkonzerten und setzen sich im Parallelgang
fort, wobei zwei Hirsche Seite an Seite stolzieren. Kommt es zum Kampf,
dann werden die Geweihe frontal verhakt und es beginnt ein Geschiebe. Dabei
können erhebliche Verletzungen wie gebrochene Geweihe oder Augenschäden
auftreten. Der unterlegene, zurückgedrängte Hirsch flüchtet.
Der Sieger ist der Platzhirsch, nur dieser
hat Anspruch zur Paarung mit den Weibchen im Kahlwildrudel.
Die Hirschkuh wirft das Kalb erst nach
einer Tragezeit von etwa siebeneinhalb Monaten im Mai oder Juni des darauf
folgenden Jahres. Meistens wird nur ein einziges Jungtier geboren. Die
hellen Flecken im Fell des Kalbs dienen zur Tarnung. Am Duftsekret
aus der Voraugendrüse des Kalbes erkennt die Mutter ihr Junges im
Kahlwildrudel wieder. Sie säugt das Kalb etwa ein halbes Jahr lang.
Die männlichen Tiere sind nach sechs Jahren zum ersten mal brünftig.
Fressfeinde werden von der Mutter angegriffen.
Dabei kann sie sehr wirkungsvolle Schläge mit ihren Vorderläufen
setzen. So erbeuten potenzielle Feinde wie Wildkatzen,
Luchse oder der Steinadler
nur selten ein junges Kalb. Wölfe jagen
Rothirsche im Rudel und können daher auch erwachsene Tiere töten.
In Gefangenschaft werden Rothirsche bis zu 20 Jahre alt, in freier Wildbahn
erreichen sie dieses Alter nur in den seltensten Fällen.
|